Das Ende von Affirmative Action

In dieser Woche hat der Supreme Court in den USA affirmative action-Programme zur Förderung von Minoritäten an Universitäten als verfassungswidrig verurteilt. Das Abstimmungsergebnis war deutlich: 6 Richter schlossen sich dem Urteil an, drei RichterInnen haben eine Gegenmeinung verfasst. Im Kern ist das Argument der Mehrheit der Richter klar und einfach: die Bevorzugung bestimmter Gruppen und Personen gegenüber anderen verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, der in der Verfassung festgeschrieben ist.  Aber hier beginnen die Probleme bereits und Ketanji Brown Jackson, die unter der Biden-Administration in den Supreme Court berufen worden ist, hat dies auch ganz deutlich artikuliert:  der Verweis auf Gleichheit vor dem Gesetz wird zu Farce, wenn die gesellschaftliche Realität ganz anders aussieht und bestimmte Gruppierungen nicht nur rassistisch diskriminiert werden, sondern auch die etablierten zentralen gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen die Teilhabechancen bestimmter Gruppen und Personen massiv behindert. In einem solchen gesellschaftlichen und ökonomischen Kontext stabilisiert ein solches Urteil den strukturellen Rassismus, der mit Hilfe von affirmative action-Programme eigentlich reduziert werden sollte.

 

Und die empirischen Belege lassen hier keinerlei Zweifel zu. Insbesondere Latinx und Afroamerikaner haben schlechtere Bildungschancen. Der Zugang zu qualifizierter Schulbildung ist meistenteils nicht gewährleistet, weil in den Regionen und Stadtteilen, in denen überproportional viele Afroamerikaner oder Latinx leben, die Bildungsstruktur schlecht ausgebaut und finanziert ist. Der Zugang zu Universitäten ist gerade durch affirmative action-Programme für eine Gruppe möglicher geworden, aber Daten zeigen dennoch deutlich, dass Afroamerikaner trotz dieser verbesserten Zugangschancen mit höheren Schulden aus den Universitäten herauskommen als ihre weißen Kommilitonen. Das hat auch massive Auswirkungen auf den weiteren Karriereweg. Auch der Zugang zum Arbeitsmarkt ist ungleich verteilt und auch hier spielt die Hautfarbe eine zentrale Rolle. Arbeitslosigkeit ist unter Latinx und Afroamerikanern deutlich höher als bei weißen Personen. Kein Wunder, dass sich dies auch in den Armutsraten widerspiegelt. Zugleich haben zahlreiche Studien deutlich gemacht, dass bei Job-Einstellungen noch immer rassistisch diskriminiert wird. Auch bei den Einkommen zeigen sich klare Muster: Schwarze und Hispanics verdienen deutlich weniger als ihre Weißen Kollegen. Und diese Differenzen sind ziemlich stabil über die Zeit. Besonders hat betroffen hier sind schwarze Frauen, die nur 50 Cent von jedem Dollar verdienen, den Weiße bekommen. Auch der Zugang zu Sozial- und Wohlfahrtsprogrammen ist ungleich strukturiert und das war lange Zeit auch eine gewollte politische Entscheidung. So waren Afroamerikaner von den meisten Sozialprogrammen, die mit dem New Deal eingeführt wurden, ausgeschlossen.  Natürlich nicht mit dem Argument Rassismus, nein: man hat nur Personen in bestimmten Beschäftigungssektoren vom Bezug von Sozialleistungen ausgeschlossen: die im Agrarsektor und die in privaten Haushalten beschäftigt waren. Und in diesen Bereichen arbeiteten fast ausschließlich Afro-Amerikaner. Und gleiche Muster eines strukturellen Rassismus gelten für die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, von den Problemen im Justizsystem mal ganz abgesehen.

 

Bei einer solchen ungleichen Verteilung von ökonomischen und bildungspolitischen Teilhabechancen verwundert es nicht, dass der Wohlstand in den USA massiv ungleich verteilt ist. Während weiße Haushalte im Jahr 2022 ein durchschnittliches Vermögen von 1,3 Millionen US Dollar hatten, lag der Wert bei schwarzen Haushalten bei lediglich 340.000 Dollar, weniger als einem Drittel. Und hier zeigt sich ein Zirkelmechanismus, der den strukturellen Rassismus in den USA nochmals deutlich macht: ein geringerer Wohlstand resultiert in niedrigeren Bildungschancen, die anschließende zu schlechteren Teilhabechancen auf dem Arbeitsmarkt führen. Vor dem Kontext einer solchen ökonomischen und sozialen Realität das Argument der Gleichheit vor dem Gesetz stark zu machen und zu ignorieren, dass bestimmte Gruppen systematisch von den Teilhabechancen in der Gesellschaft und Wirtschaft ausgeschlossen werden ist zynisch und verstärkt die Muster des strukturellen Rassismus in den USA.

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