Das US-Abgeordnetenhaus hat nach dreiwöchiger Suche endlich einen neuen Speaker bekommen: den Abgeordneten Mike Johnsons aus dem Bundestaat Louisiana. Der bislang wenig in Erscheinung getretene Politiker ist 2016 zum ersten Mal ins Abgeordnetenhaus gewählt worden und gilt als erzkonservativ und treuer Unterstützer von Donald Trump. Johnson war aktiv an dem Versuch beteiligt, das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 zu boykottieren. Darüber hinaus gilt er als vehementer Abtreibungsgegner und spricht sich auch klar gegen die Homo-Ehe aus. Auch die weitere Unterstützung der Ukraine durch die USA wurde von Johnson immer wieder in Frage gestellt. Kurz nach seiner Wahl zeigte er sich zwar solidarisch mit der Ukraine, will die weitere finanzielle Unterstützung allerdings an Bedingungen knüpfen und fordert von der Biden-Administration die Artikulation klarer Ziele in diesem Konflikt. Bislang sprach sich Johnson in erster Linie dafür aus, die Gelder für die Ukraine lieber in den USA auszugeben, insbesondere zum Ausbau der Mauer zu Mexiko.
Mit Johnson hat Trump jetzt einen strammen Gefolgsmann in der Führungsposition des Repräsentantenhauses. Und das sagt einiges über den Zustand der Republikanischen Partei aus: ohne die Zustimmung Trumps kann die Partei kaum mehr Entscheidungen treffen. Moderate Kandidaten wurden in den sozialen Medien von Trump angegriffen und haben dann immer gleich ihre Kandidatur zurückgezogen. Zu groß die Angst vor einer Auseinandersetzung mit Trump und der Gefahr, dass Trump in den anstehenden Vorwahlen aktiv eingreift und alternative Kandidaten unterstützt. Die Angst des moderaten Flügels der Republikanischen Partei von dem MAGA-Flügel ist momentan so groß, dass sie einen Kandidaten vom rechten Rand der Partei eher akzeptieren, als eine Koalition mit Demokarten einzugehen, um eine andere Lösung zu finden. Die Demokraten hatten dies immer wieder angeboten. Ob sie sich drangehalten hätten, werden wir nicht mehr erfahren. Den schließlich steht der ganze Vorgang auch unter den Vorzeichen der kommenden Wahlen und die Demokraten erhoffen sich besser aussichten bei den nächsten Kongresswahlen, sollte das Chaos bei den Republikanern anhalten.
Mike Johnson als neuer Sprecher steht nun vor der Herkulesaufgabe, die Republikanische Partei im Repräsentantenhaus wieder zusammenzubringen. Das Ganze im Kontext eines nahenden Government-Shutdowns, den Verhandlungen über einen neuen Haushalt, den der Kongress eigentlich schon vor einigen Wochen hätte verabschieden sollen und der Frage, inwieweit die USA sich weiterhin im Ukraine- und jetzt auch im Israel-Konflikt einbringen wird. Es steht zu befürchten, dass die radikalen Republikaner ihren Machtzuwachs jetzt in erster Linie dazu nutzen werden, die Untersuchungen gegen die Biden-Administration und auch Biden selbst zu intensivieren. Auch mit dem Ziel der Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den amtierenden Präsidenten. Das Ganze findet natürlich auch statt, um von den Anklagen und Ermittlungen gegen Trump ablenken zu können.
Das Abgeordnetenhaus in den USA ist mit der Wahl Johnson jetzt eigentlich wieder handlungsfähig. Ob im Kontext der extremen parteipolitischen Polarisierung die Legislative aber damit ihre Aufgaben wieder wahrnehmen kann, bleibt abzuwarten. Die multiplen Krisen, die weitere Radikalisierung der Trump-Anhänger und der anstehende Wahlkampf machen dies zwar notwendig, aber wahrscheinlich auch unmöglich. Mit Blick auf die Wahlen im kommenden Jahr und die Politik in den USA sind dies keine guten Aussichten. Und so verwundert es auch nicht, dass insbesondere unter Trump-Anhängern die Wahl eines neuen Sprechers gar nicht so begeistert aufgenommen wird. 40 Prozent der Trump Anhänger hätten lieber keinen neuen Speaker, weil dann der Kongress auch nicht über neuen Ausgaben abstimmen kann. Die Unterstützung Trumps kann immer weniger in Kategorien von Ideologie oder Parteien verstanden werden, sie ist zu einem Personenkult verkommen.
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