Die Aufregung ist groß, nachdem der Supreme Court seine Entscheidung zur Immunität präsidentieller Handlungen veröffentlicht hat. Auch wenn nur eine Minderheit die Begründung und auch die abweichenden Meinungen in diesem Urteil gelesen haben mag, die Reichweite dieser Entscheidung darf keinesfalls unterschätzt werden. Aber worum geht es eigentlich und was hat da Oberste Gericht in den USA entschieden?
Im Kern geht es um die Frage, ob Präsidenten für ihre Handlungen im Amt kriminell belangt werden können. Diese Frage ist bislang nicht geklärt in den USA und bislang verließ man sich auf eher informelle Regelungen. So wurde es als gängige Rechtspraxis akzeptiert, dass kein Amtsinhaber vor Gericht gestellt werden sollte, weil so die Fähigkeit zum Regieren massiv eingeschränkt werden könnte. Aber diese Regelung galt nicht für die Zeit, nachdem der Präsident aus dem Amt ausgeschieden ist. Im Falle von Präsident Nixon entging der ehemalige Präsident eines Gerichtsverfahrens durch die nachträgliche Begnadigung seines Amtsnachfolgers. Die Watergate-Affäre ist auch im Kontext der Präsidentschaft Trumps häufig als Referenzpunt genannt worden. Bereits hier deutete sich eine Interpretation an, dass die Handlungen von Präsidenten im Amt einer bestimmten Sonderbehandlung unterliegen sollten, dass zumindest rechtfertigt die Begnadigung von Amtsinhabern für etwaige kriminelle Handlungen im Amt.
Bislang liegt aber noch keine klare Rechtsinterpretation für den Fall vor, dass ein Präsident nach dem Ausscheiden aus dem Amt angeklagt wird. Das hat sich mit Trump verändert. In unterschiedlichen Verfahren muss sich der ehemalige Präsident momentan vor Bundesgerichten und auch vor Gerichten in einigen Bundesstaaten verteidigen. Seine Anwälte argumentieren, dies sei nicht richtig, weil Präsidenten Immunität für ihre Handlungen im Amt genießen würden. Untere Gerichte haben dieses Vorwurf bislang zurück gewiesen, aber der Supreme Court gab jetzt Trump zum Teil Recht und dieses Urteil hat Einfluss auf due Gerichtsverfahren gegen Trump, aber noch viel wichtiger: es sägt an den Stabilitätspfeilern des Systems der Gewaltenteilung- und Verschränkung in den USA, dass die Fundamente der Demokartei massiv erschüttert. Nicht umsonst enden die drei liberalen Richter am Supreme Court ihre abweichende Meinung mit dem Satz: „With fear for our democracy, I dissent“.
Was heißt das Urteil nun zuerst für die Gerichtsverfahren gegen Trump? Ganz wichtig für Trump aus einer kurzfristigen Perspektive: es ist sehr unwahrscheinlich, dass die laufenden Gerichtsverfahren noch vor der Wahl im November fortgeführt oder gar beendet werden können. Da ist ein immenser politischer Erfolg für Trump, der sich nun primär auf den Wahlkampf fokussieren kann. Zum anderen macht die Entscheidung des Supreme Court e den Ankläger weitaus schwieriger, ihre Anklage zu begründen, weil sie sich nun an den komplizierten Detailregelungen der Entscheidung abarbeiten müssen, um zu sehen, welche Handlungen von Trump jetzt strafbar sind und welche durch die Immunitätsentscheidung des Gerichts abgedeckt sind. Und hier wird es komplex und undurchsichtig. Denn das Gerichts unterscheidet drei verschiedenen Handlungsformen von Präsidenten, die unterschiedliche bewertet werden müssen: in einem ersten Schritt unterscheiden sie zwischen ‚official acts‘ und ‚non-official acts‘. Bei Letzteren gelte auf keinen Fall eine Immunität und für solche Handlungen kann ein Präsident angeklagt werden. Bei den ‚offical acts‘ differenziert die Mehrheit der Richter noch zwischen Befugnissen, die ein Präsident qua Verfassung hat und denen, die er durch den Kongress bekommen hat. Bei ersteren erklärt das Gericht eine absolute Immunität für präsidentielles Handeln, bei der zweiten eine mutmaßliche (presumptive) Immunität, soll sagen, hier müsste im Einzelfall geklärt werden, ob der Präsident seine Handlungsgrenzen illegalerweise überschritten hat. Und hier wird es schwierig: wie soll man hier entscheiden was ‚official acts‘ und ‚non-official acts‘ sind. Die Mehrheitsmeinung diskutiert dies ein wenig, weist aber insgesamt die Klage zurück an die unteren Gerichte, um die Anklagen gegen Trump unter Berücksichtigung dieser Unterscheidungen zu überprüfen. Kann Trump weiterhin angeklagt und verurteilt werden? Ja, aber das Gericht macht des der Anklage deutlich schwerer.
Trump ist also der klarre Gewinner dieser Supreme Court Entscheidung, auch wenn es nicht unbedingt bedeutet, dass die laufenden Klagen gegen ihn nicht weitergeführt werden. Aber vor der Wahl muss er sich erstmal keine weiteren Gedanken über die Anklagepunkte machen und sollte er die Wahlen gewinnen, verschieden sich die Dynamiken nochmals fundamental und es ist ungewiss, wie sich die Entscheidung des Supreme Court dann die Verfahren auswirken. Und hier kommen wir zum eigentlichen Problem: Die Entscheidung des Supreme Court stärkt die Position des Präsidenten im System der Gewaltenkontrolle massiv und fundamental. Bei den Kompetenzen, die dem Amt qua Verfassung zugeschrieben sind, besitzen Präsidenten jetzt absolute Immunität! Das heißt, es gibt keine rechtlichen Mechanismen mehr, um Präsidenten hier rechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Eine solche Einschätzung lässt sich keinesfalls aus der Verfassung selbst herauslesen und muss im Kontext der akuten Entwicklung hin zu autoritären Strukturen im politischen System der USA als katastrophale Entscheidung angesehen werden. Die Ankündigung Trumps, er werde am ersten Tag seiner möglichen zweiten Amtsperiode ein Diktator sein, wird jetzt durch die Entscheidung des Supreme Court in Teilen verfassungspolitische untermauert und damit legitimiert
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